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Rüdiger Bierhorst im Interview

Rüdiger Bierhorst | Pressefoto 2023 | Copyright: Joachim Sagwitz

Rüdiger Bierhorst | Pressefoto 2023 | Copyright: Joachim Sagwitz

Mit Rüdiger Bierhorst konnte ich kürzlich ein Interview per E-Mail führen. Wir haben über das aktuelle Studioalbum „Im Zeichen des Kreisels“, Corona, Stress, Depression, Angst, Schlaganfall, Trennung und einiges mehr gesprochen. Die Zeiten als Solo-Künstler aber auch die als Duo und Teil von Monsters Of Liedermaching kamen vor. Viel Spaß beim Lesen und Hören des Albums. Von unserer Seite gibt es nur: Weiterhin gute Genesung und die besten Wünsche, lieber Rüdiger Bierhorst! zu sagen.

Guten Tag. Ich hoffe, es geht Dir gut. Wie geht es Dir nach der Veröffentlichung des neuen, aktuellen Studioalbums “Im Zeichen des Kreisels”?

Ich bin erleichtert. Ich könnte viel erzählen, aber nicht so viel wie Kim Senger von Waldinsel Records, der die ganze Organisation von A bis Z quasi im Alleingang durchs Coronachaos führte und mir nach meinem Schlaganfall im Frühjahr jeden Stress abnahm. Dem bin ich in erster Linie dankbar. Sonst gäbe es die Platte nicht. Und natürlich bin ich jetzt gespannt auf die Reaktionen. Ich weiß, dass das nicht das Album ist, dass man von mir erwarten würde. Das ist sehr aufregend.Ich rechne mit den unterschiedlichsten, sich widersprechenden Reaktionen.

Abgesehen von den Monsters of Liedermaching und PanneBierhorst bist Du auch als Solo-Künstler unterwegs. Inwiefern unterscheiden sich die Shows, die Stimmung hier?

Bei den „Monsters“ geht es viel um Interaktion und das gemeinsame Mitsingen und Mitmachen und Erleben. Da passieren manchmal Dinge im Publikum, die ich nie für möglich gehalten hätte. Und es kommen viel mehr Leute, was der Stimmung natürlich zuträglich ist. „PanneBierhorst“ ist kleiner und intimer und dank der Persönlichkeit von Sven und seines Klavierspiels auch romantischer. Eher was zum Schwelgen. Eines unserer Lieblingskonzerte in einem kleinen Berliner Club endete damit, dass auf den vier Sofas das gesamte Publikum Arm in Arm selig lächelnd entschlummert war. Solo fühle ich mich in kleinen gemütlichen Clubs am wohlsten. Und dann kommt es auf die Leute an, in welche Richtung es geht.

Würdest Du sagen, dass das aktuelle Album ein außergewöhnlich ernstes Werk geworden ist. Im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen?

Es ist auf jeden Fall ein melancholisches Album. Und es handelt zum Teil von unschönen Gefühlen wie Angst, Depression, Eifersucht und Liebeskummer. Das sind keine Gefühle, die den meisten fremd sind, aber von denen man am liebsten abgelenkt werden möchte. Die Hälfte der Songs empfinde ich allerdings zwar als melancholisch, aber nicht als traurig,
vorausgesetzt, man geht davon aus, dass „Sturmwarnung“ gut aus geht. Humoristisches ist allerdings zugegebenermaßen eher zwischen den Zeilen zu finden. Ich wollte ein Album machen, dass ein Gefühl oder besser gesagt eine Stimmung auslebt und nicht in vierminütige Einheiten zerhackt. Die Platten meiner Jugend waren so. Und in
diese Richtung wollte ich mal wieder gehen. Zum Beispiel dass der erste Song des Albums zwei Minuten braucht, bis der erste Ton gesungen wird, ist wohl eher 70er als marketingtechnisch empfehlenswert. Ich will, dass man sich Zeit nimmt dafür, aber man sollte in der richtigen Stimmung sein. Dann ist das Album glaube ich sehr interessant.

Rüdiger Bierhorst | Pressefoto 2023 | Copyright: Joachim Sagwitz
Rüdiger Bierhorst | Pressefoto 2023 | Copyright: Joachim Sagwitz

Ist der Longplayer Dein “Corona-Album” oder wäre das jetzt so oder so, mit diesem Inhalt gekommen?

Nein, wir hatten das schon lange geplant und als wir´s dann angegangen sind, kam Corona. Teilweise sind die Songs schon viele Jahre alt und auch live im Programm. Ironischerweise sind die Lieder, die ich in der Coronazeit noch geschrieben habe, die etwas leichtere Kost, wie zum Beispiel „Alaska“ oder „Das was vor mir ist“.

Magst Du “kurz” umreißen, was die Themen in den jeweiligen Stücken sind? (Bitte auch den jeweiligen Song nenne, der beim Thema passt, danke.)

Sehr gerne.
In „Muscheln nennen Fische Vögel“ geht es um Perspektivwechsel. Im Großen und Ganzen. Ich mag den Text, aber kann ihn nicht erklären. Sinn ist nicht sein Sinn.
„Alaska“ – ein Liebeslied über zwei, die nicht zusammen passen. Und die wissen, dass, wenn einer seine Träume erfüllen würde, sie nicht mehr zusammen wären. Was zumindest er aber will.
„Nebenan“, „Im Zentrum des Kreisels“ und „Ich schlafe“ gehören zusammen und handeln von Depression. In „Nebenan“ klopft sie an und nicht die liebste Feenstimme kann sie aufhalten. „Im Zentrum des Kreisels“ handelt von Angst. Der Angst und der Unfähigkeit irgendeine Entscheidung zu treffen, die einen weiterführt. Musikalisch ist es sicher das
verwegenste und umstrittenste Stück der Platte, und mir ist klar, dass die Gitarre am Schluss verstörend ist. Aber so ist es nun mal leider mit der Kunst. Ein schönes Solo hätte nicht gepasst.
Bei „Ich schlafe“ dann die totale Erschöpfung. Der Stecker ist gezogen.
„Mit ihr“: Liebeskummer, Eifersucht und in der letzten Zeile Akzeptanz und Hoffnung
„Sturmwarnung“ – eine Melange aus Bodenseedrama und Ökosong. Wir saufen ahnungslos Sekt während das Unheil aufzieht.
„Meine Leute“ – für mich ein ganz klares Liebeslied. Obwohl es natürlich von Trennung handelt. Ein Statement.
„Das was vor mir ist“ – ich wollte mit einem versöhnlichen Bild aus dem Gefühlschaos rausführen und stellte mir ein ideales Zuhause in einer nahen Zukunft vor. Eine Woche nachdem ich den Song geschrieben hatte bekam ich ahnungslos einen Anruf und der Song wurde Zeile für Zeile wahr. Jetzt ist er unsere Hof-Hymne.

Wirst Du noch 2022 auf Tour gehen oder “erst” im kommenden Jahr?

Im April gehen die „Monsters of Liedermaching“ auf 20 Jahre Jubiläumstour. Bis dahin kümmere ich mich um meine Fingerfertigkeit und meine Aussprache. Schließlich wollen wir auf der Tour ein Album aufnehmen. Danach ist vieles möglich. Auf jeden Fall will ich auch mit diesen Songs auf Tour fahren.

Worauf können sich Fans noch freuen?

Ich plane als nächstes eine „Kraftwerk“ – Hommage. Die Geschichte des Techno nacherzählt mit Gitarre und Cajon. Nein – im Ernst. Die Fans können sich hoffentlich darauf freuen, dass ich wieder vollständig genese und in allen drei Konstellationen weiter schöne Konzerte gebe und weiterhin der altbekannte Rüdi bleib, erweitert um eine Facette.

Danke für das Interview. Hier ist jetzt Platz, was ich möglicherweise vergessen habe.

Danke. Schöne Fragen!

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Oliver Lippert
Oliver Lippert
Schreibe schon seit Mitte der 1990er und habe seit Oktober 2020 zwei Bücher ("Kaleidoskop - Abschnitt 1 -" und "Kaleidoskop - Abschnitt 2 -") veröffentlicht.