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Akne Kid Joe im Interview

Akne Kid Joe im Interview

Ugly Kid Joe waren früher mal in. Vor allem mit Everything About You und Cats in the Cradle. Akne Kid Joe klingen zwar ähnlich, kommen hingegen aber aus Nürnberg. Es wird ihnen nachgesagt, sie seien Stimmungskanonen, haben Esprit, Witz, Charme, Melodien und gescheite Texte. Das ist zumindest das, was meine Recherche zutage gefördert hat. Ihr aktuelles Album Die große Palmöllüge erschien Anfang April 2020 via Kidnap Music. Schon mal vorweg ein Teaser: Nur weil eine große Palmöllüge besungen wird, gibt es nicht zwangsläufig auch eine kleine.

Da es vielleicht nicht alle wissen: Stellt euch doch einmal vor und erzählt den LeserInnen, wer was spielt / erledigt in der Band, ein wenig zur Bandhistorie etc.

Hi. Bei uns spielen Sarah (Gitarre/Gesang), Matti (Gitarre/Gesang), Peter (Synthesizer/Bass/Gesang) und Rocky (Drums).

Den (ersten) Lockdown haben wir hinter uns, Corona noch nicht. Wie erlebt ihr als Band, und als Einzelpersonen, denn gerade diese Krise und was unternehmt ihr, um depressiven Ansätzen entgegenzuwirken?

Für uns kam das ganze natürlich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Unser Album erschien am 03.04., also kurz nach dem Lockdown. Die anschließende Release-Tour und alle geplanten Festivals im Sommer mussten abgesagt werden. Das ist natürlich sehr schade, aber wir versuchen bestmöglich mit der Situation umzugehen. Wir haben z.B. noch ein zusätzliches Musikvideo gedreht, das hätten wir mit den ganzen Konzerten zeitlich eher nicht geschafft. Außerdem stehen noch zwei Live-Videos an, die planen wir gerade. Ansonsten haben wir auch angefangen etwas an neuen Songs zu arbeiten – was sich aber auch komisch anfühlt, da das Album ja noch blutjung ist und der gewohnte Prozess dann eher der wäre, diese Songs live zu spielen und nicht schon direkt an neuem Material zu arbeiten.
Als Einzelpersonen haben wir alle einen etwas anderen Umgang damit. Rocky hat gerade Abschlussprüfungen, für ihn gibt es also auch ohne Konzerte gerade viel zu tun. Uns anderen fällt die Decke manchmal mehr und manchmal weniger auf den Kopf. Wir freuen uns, wenn es wieder losgehen kann, aber wir leiden jetzt nicht übertrieben unter der Situation.

Auf einem eurer Fotos hat Sarah eine Flying V. Was findet ihr an dem Modell und welche habt ihr sonst noch? Oder anders: Was spielt ihr für Modelle? Spielt für euch Sound, Design, etc. eine Rolle und welche Effekte etc. pp. nutzt ihr bei den jeweiligen Instrumenten und wieso?

Die Flying V haben wir damals für 80€ oder so gekauft, als Gitarre für unser Video zu „give never up a fight“. Also das ist eher ein Gag, live kam sie bisher nie zum Einsatz. Sarah spielt eine Fender Strat und Matti eine Cort Hiram Bullock. Klar spielen Sound und Design eine Rolle bei uns, aber die Gitarren sind jetzt keine High End Instrumente. Matti spielt über nen Amp von Orange, sein Gitarrensound ist etwas wärmer nicht zu verzerrt, aber dennoch schrammlig genug. Sarahs Sound hat etwas mehr Gain und hat weniger Höhen. Peter spielt bei manchen Songs E-Bass statt Synthesizer, dazu hat er sich jetzt irgendein Effektgerät gekauft. Matti hat ein Effektgerät um bei bei „Solo“-Parts oder Refrains etwas Wums reinzuschalten. Der elektronische Sound kommt über einen Basssynthesizer und ein Kinder-Keyboard von Toys’R‘us – kein Witz. Zum Schlagzeug gibts jetzt glaub ich keine besonders erwähnenswerte Ausstattung, das ist eine solide Schießbude in stylischem rot. Evtl könnte die Bassdrum etwas größer sein haha.

Künstlerische Selbstständige haben aktuell ein großes (finanzielles, existenzielles, …) Problem. Zudem gibt es aber auch keine vernünftige Lösung. Die Rede ist natürlich von der fehlenden Unterstützung bei den Medien und Künstlern. Inwiefern betrifft euch das auch und welche Meinung vertretet ihr da?

Niemand von uns lebt von der Musik, weswegen wir durch die Krise auch nicht existentiell bedroht waren. Dennoch hat das Ganze auch bei uns finanziell reingehauen. Wir haben gerade im Vorfeld zur Albumveröffentlichung viel investiert, z.B. in Musikvideos. Bei den privaten Investitionen haben wir einkalkuliert, dass durch die Konzertsaison wieder Kohle reinkommt – das war nicht der Fall, weswegen wir erstmal gut im Minus waren. Alles in allem war das aber ein überschaubarer Betrag, es gibt definitiv viele Menschen, die das alles härter getroffen hat. Dass es insgesamt Nachholbedarf bei der Unterstützung von Menschen aus der Kulturbranche gibt, ist Fakt. Für viele Künstler*innen war erstmal überhaupt nicht klar, inwiefern sie für die Soforthilfe antragsberechtigt sind. Dann gab es die Künstler*innensoforthilfe in Bayern, aber auch hier sind wieder viele durch das Raster gefallen. Aber auch die Unterstützung für Venues und kulturelle Einrichtungen fiel teilweise viel zu gering aus, was einige Veranstalter*innen in eine existentielle Bedrohungslage brachte. Es wurde versucht Engpässe mit Spendenaktionen aufzufangen – diese Solidarität zu erleben war sehr gut. Man muss allerdings auch bedenken, dass es hinter den Kulissen zahlreiche Akteur*innen gibt, die ebenfalls betroffen sind, z.B. Techniker*innen, Booker*innen, Tourmanager*innen etc.
Allen Beteiligten auch weiterhin eine sichere Lebensgrundlage zu ermöglichen, haben Bund und Länder bisher eindeutig verpasst. Die Frage ob Kultur systemrelevant ist, wurde so zumindest indirekt mit „nein“ beantwortet.

Was ist denn Die große Palmöllüge und gibt es auch eine kleine?

„Die große Palmöllüge“ ist ein fiktiver Verschwörungsmythos, den wir uns bei einem Besuch in einem prä-coronialem Kneipenbesuch ausgedacht haben. Eine kleine Palmöllüge gibt es nicht.

© Kidnap Music - Akne Kid Joe - Die große Palmöllüge
© Kidnap Music – Akne Kid Joe – Die große Palmöllüge

Wovon handeln denn die Songs auf dem neuen Album?

Puh, also grob zusammengefasst: Von der AfD, von saufen, von Liebeskummer, von Punkverrat, von (zu wenig) Frauen* im Musikbusiness, von missglückten Charityaktionen, von diskriminierender Sprache, von schlimmen Berufen usw.

Bezüglich eures Corona-Postings wegen Verschwörungsmythen (Warum ich es vermeiden möchte von Verschwörungstheorien zu reden: https://www.zeit.de/campus/2020-05/falschinformationen-verschwoerungstheorien-coronavirus-bill-gates-5g-lydia-benecke) und Co, gab es ja erstaunliches Feedback. Hat sich das wieder gelegt, sich der besagte Bekannte beruhigt, wenn man das so sagen kann?

Es gab wochenlang sehr viel Feedback dazu. Insgesamt konnten wir sicherlich eine Art „Lovestorm“ verbuchen, aber es waren auch viele Spinner*innen dabei, die uns in den Kommentarspalten und Direktnachrichten belehren wollten oder anfeindeten. Ob sich der Bekannte beruhigt hat, kann ich gerade schwer sagen. Seit den Lockerungen ebbt der Protest gegen die Maßnahmen ja zusehends ab. Rückblickend können wir auf jeden Fall sagen, dass wir uns im Zuge dieser Sache mit ganz schön vielen Vollidiot*innen rumschlagen mussten haha.

In einem Interview, wo das besagte Posting auch thematisiert wurde, habt ihr euch als Krawallmacher beschrieben, die sich auch mal für etwas einsetzen. Seht ihr euch als Krawallmacher? Und für was setzt ihr euch noch ein?

Wir haben damit ein Klischee aufgegriffen, welches oftmals für die linke Szene verwendet wird. Kein Plan was aus Sicht der bürgerlichen Mitte alles als „Krawall“ gilt, aber wir versuchen schon unseren Standpunkt klarzumachen, der dann politisch klar links einzuordnen ist.

Wie sehen denn eure Pläne während der Krise aus, was habt ihr für danach in petto?

Wir planen wie gesagt noch zwei Live-Videos und hoffen, dass wir ab Herbst/Winter eventuell wieder Konzerte spielen können. Ansonsten schreiben wir ab und an einen neuen Song oder schauen Netflix und bestellen Pizza :)

Danke für das Interview. Eure Botschaft an eure Fans, unsere Leser und allen anderen, die das lesen werden lautet…?

Reibt euch jeden Morgen mit Sesamöl ein und duscht euch dann kalt ab, damit werdet ihr safe 15 jahre älter.

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Oliver Lippert
Oliver Lippert
Schreibe schon seit Mitte der 1990er und habe seit Oktober 2020 zwei Bücher ("Kaleidoskop - Abschnitt 1 -" und "Kaleidoskop - Abschnitt 2 -") veröffentlicht.