Laut, intensiv und knüppelhart wurde es am 3. Dezember in der Offenbacher Stadthalle. Die beiden Co-Headliner Heaven Shall Burn und Parkway Drive luden zum Tänzchen und brachten als Verstärkung Northlane und Carnifex mit. Vom Veranstalter vollmundig als „Tour of the Year“ angekündigt, wurde es ein heißer Abend, der einige Überraschungen bereit hielt. An dessen Ende – nach vier Stunden Metalcore-Intensivtherapie – purzelten viele erschöpfte und glückliche Menschen aus der Halle.
Die Halle war für einen Wochentag und trotz des frühen Einlasses bereits gut gefüllt, als die australische Post-Hardcore Band Northlane um halb sieben die Bühne betrat. Die Jungs aus Sydney haben es mit ihrem aktuellen Album „Singularity“ (2013) immerhin auf Platz drei der australischen Charts geschafft. Ihre Mischung aus Punk und Post-Hardcore hätte zwar einen weniger matschigen Sound verdient gehabt, große Teile des Publikums nutze die halbe Stunde Spielzeit allerdings um sich hüpfend und im Kreis rennend für die kommenden Bands aufzuwärmen. Dass Northlane mit Marcus Bridge einen neuen Frontmann dabei hatten, der erst vor einigen Wochen eingestiegen ist, dürfte nur den Wenigsten aufgefallen sein. Das lag allerdings nicht am infernalischen Blitzlicht-Gewitter von der Bühne, welches während der ersten Songs keinen Blick auf die Bühne zuließ, Bridge machte seine Sache schlicht sehr gut und routiniert.
Schon in der Umbau-Pause deuteten die morbiden Band-Banner darauf hin, dass mit den Amerikanern von Carnifex gegen halb acht der wohl brachialste Act des Abends auf die Bühne ging. Was bei Northlane noch ein Aufwärmen war, wurde hier schnell zur Spitzenbelastung. Carnifex hatten ihr aktuelles Album „Die Without Hope“ dabei, welches sowohl in Deutschland, als auch in ihrer Heimat kleine Charterfolge zu verzeichnen hatte. Eine Genugtuung für die Band, die zwischen 2012 und 2013 schon einmal kurz vor der Auflösung stand, da die finanzielle Lage ein Weitermachen unmöglich erscheinen ließ. Frontmann Scott Lewis hatte die Menge vor der Bühne fest im Griff, dirigierte sie nach belieben, trieb sich, Band und Publikum immer wieder an. So bildeten sich zur Deathcore-Mischung aus Kalifornien immer wieder Circle Pits, es wurde gehüpft, laut gebrüllt und die Temperatur in der Halle stieg merklich an. Carnifex verstanden ihre Rolle als Anheizer wortwörtlich und machten ihren Job richtig gut.
In der folgenden Umbau-Pause enthüllte sich das Bühnen-Bild für Heaven Shall Burn. Neben allerlei Metallschrott, der wohl eine Art martialische Endzeitstimmung erzeugen sollte, thronten über der Bühne zwei Drumkits. Das schien die Gerüchte, die in der Halle herumgeisterten zu bestätigen. Dank Social Media hatten einige die Nachricht vom Vorabend aus Berlin erhalten, dass Heaven Shall Burn und Parkway Drive ohne weitere Umbau-Pausen abwechselnd spielen würden. Als sich gegen halb neun die Offenbacher Stadthalle fast komplett gefüllt hatte und selbst die bis dahin sehr leeren Sitzplatz-Reihen im hinteren Teil der Halle voll waren, wurde die Hauptspeise serviert:
Heaven Shall Burn begannen mit „Voice of the Voiceless“ („Antigone“, 2004) riff-gewaltig und ganz nach dem Geschmack der sogleich tobenden Masse. Die Thüringer ließen auch mit den folgenden Nummern „Land Of The Upright Ones“ („Veto“, 2013) und „Combat“ („Invictus“, 2010) nicht locker und brachen mit der Urgewalt eines Gewitters über Offenbach herein. Als würde sich die vorhandene Energie in der Halle entzünden, feuerte die Band während dieses – stellenweise sogar an Black Metal erinnernden Songs – die erste Pyro-Salve des Abends ab.
Erst danach nahm Frontmann Marcus Bischoff mal den Fuß vom Gas. Er freute sich, dass trotz so früher Stunde die Halle schon so voll sei. Außerdem fragte er, ob alle den entfesselten Circle Pit schadlos überstanden haben. Bischoff wünschte sich, dass das den ganzen Abend so bleibt. Von außen betrachtet ist es unvorstellbar, dass in dieser rennenden und hüpfenden Menschenmasse, die minutenlang die gesamte Tiefe der Halle einnahm, niemandem etwas passiert ist. Ein gutes Indiz dafür, dass sich wirklich die gesamte Halle bewegte, war die Tatsache, dass, im Gegensatz zu anderen Konzerten, nur ganz vereinzelt Smartphones in die Höhe gehalten wurden. Dafür blieb in Offenbach entweder keine Zeit oder es erschien dem jeweiligen Besitzer zu gefährlich.
Mit dem sechsten Song kündigte sich die erste Übergabe des Staffelstabes an. Im Vorfeld der Tour konnten Fans darüber abstimmen, welchen Parkway Drive Song Heaven Shall Burn covern sollten. Das Rennen machte „Unrest“ („Deep Blue“, 2010), dem die Band sogar noch etwas mehr Härte einhauchen konnte.
Per Handschlag folgte der Wechsel der Bands und fast wollte man bedauern, dass Parkway Drive Frontmann Winston McCall nicht noch ein paar Zeilen gemeinsam mit Heaven Shall Burn gebrüllt hatte. Die Australier nahmen sofort die Energie in der Halle auf und legten mit der Hymne „Wild Eyes“ von ihrem aktuellem Album „Atlas“ (2013) los. Die feiernde Menge nahm die Einladung zum Mitgröhlen der melodischen Teile an und die Security hatte alle Hände voll damit zu tun, die in den Bühnengraben purzelnden Crowd-Surfer aufzufangen. Die Spielfreude war der ganzen Band anzusehen und vor allem McCall bekam das Dauergrinsen gar nicht aus dem Gesicht. Die – im Vergleich zur Heaven Shall Burn – etwas melodischere und trashigere Ausrichtung der bekennenden Surfer kam gut an und trieb die Stimmung zu Pegel-Höchstständen. „Sleepwater“ und „Karma“ (beide „Deep Blue“, 2010) folgten, bevor Parkway Drive die Flammen zum ersten Mal lodern ließen.
Nach fünf Songs ließen auch die Aussies eine Coverversion hören. Die Fans hatten sich den Heaven Shall Burn Song „The Weapon They Fear“ („Antigone“, 2004) ausgesucht und damit vortrefflichen Geschmack bewiesen. Danach verließ die Band die Bühne.
Als das riesige Hintergrund-Banner, welches bisher die Skyline einer (australischen?) Großstadt gezeigt hat, fiel und der Heaven Shall Burn Schriftzug zu sehen war, wurde Gewissheit, was viele gehofft hatten: Die Thüringer stürmten erneut auf die Bühne und feuerten mit „Hunters Will Be Hunted“ („Veto“, 2013) ihr ganz persönliches Statement in Sachen Fleischverzehr ab. Mit „Trespassing the Shores of Your World“ („Deaf Of Our Prayers“, 2004) begann eine kleine Reise in die Vergangenheit. Sie setzte sich mit „Counterweight“ dem ebenso alten Unbedingt-Live-Stück der Band fort und fand, ihren Höhepunkt in „Worlds In Me“ („Whatever It Will Take“, 2002), einem Stück, das die Band noch nicht allzu oft live gespielt hat.
Mit einer Hommage an ihre Allzeit-Helden Bolt Thrower („Like Gods Among Mortals“) vom aktuellen Album endete der reguläre Set und das Licht erlosch. Bevor allerdings jemand nach einer Zugabe rufen konnten, ertönten die ersten Klänge von Type O Negatives „My Girlfriends Girlfriend“. Die stellten sich zwar schnell als das Heaven Shall Burn Intro „Awoken“ vom 2008er Album „Iconoclast“ heraus. Es würde sich aber sicher lohnen den Band-eigenen Intro- und Outro-Komponisten Ólafur Arnalds zu fragen, wie er auf diese Melodie gekommen ist.
Es folgte der Live-Moment des Abends schlecht hin: Nachdem die ersten Takte von „Endzeit“ erklangen, brüllte die ganze Halle die ersten Zeilen des Stückes und zwar so laut, dass es Bischoff gleich bleiben ließ, selbst zu singen: „Nothing, just nothing, nothing will wipe this heart out. And no one, just no one, no one will break this frontline. We are, we are, we are the final ones! We are, we are the, we are the final resistance!“. Die Halle tobte und mobilisierte die letzten Reserven für dieses finale Gefecht.
Bei wem sich nach diesen 1,5 intensiven Stunden schon Erschöpfung bemerkbar machte, der hatte ein Problem. Denn mit einem durchdringenden „Get your fucking fists up!!“ stürmten Parkway Drive erneut die Bühne. Mit „Dark Days“ und jeder Menge Flammen schickten sie sich an, weitere Höchstleistungen von der schwitzenden Menge einzufordern. Mit einem wahren Parforce-Ritt pflügten sich die Australier noch einmal eine halbe Stunde und sieben weitere Songs durch ihre letzten zwei Alben und trieben das Publikum dazu, das letzten Quäntchen Energie aus sich herauszupressen.
Als gegen 22:30 Uhr – nach vier Stunden Metalcore – das Hallenlicht wieder angeschaltet wurde, suchte zwar der Eine oder Andere seinen Schuh oder sein Shirt. Das alles aber mit einem seeligen Grinsen und Zufriedenheit im Gesicht.
Fotos der Shows: Northlane, Carnifex, Heaven Shall Burn, Parkway Drive
Wer diese „Tour of the Year“ noch erleben möchte, hat dazu hierzulande noch drei Mal die Gelegenheit. Einige Restkarten sind bei Impericon noch zu erhalten.
19.12.2014 – Köln, Palladium
20.12.2014 – Leipzig, Haus Auensee
21.12.2014 – Hamburg, Sporthalle
Setlist:
Heaven Shall Burn (1. Block):
Voice of the Voiceless
Black Tears
Land of the Upright Ones
The Omen
Combat
Unrest
Parkway Drive (1. Block):
Wild Eyes
Sleepwalker
Karma
Dream Run
Idols and Anchors
The Weapon They Fear
Heaven Shall Burn (2. Block):
Hunters Will Be Hunted
Trespassing the Shores of Your World
The Disease
Counterweight
The Worlds in Me
Like Gods Among Mortals
Endzeit
Parkway Drive (2. Block):
Dark Days
Deliver Me
Romance Is Dead
Home Is for the Heartless
Swing
Carrion